Wutschen und Wedeln: Zauberkunst am Dirigentenpult

Wer steht nach einer harten Arbeitswoche am Sonntagmorgen freiwillig früh auf, quält sein Auto eine steile Buckelpiste hinauf zu einer Burg, um anschließend den halben Tag in einem voll besetzten Verlies zu verbringen? Wir natürlich, die Zupferfamilie der Mandolinata Mannheim 1920 e.V., freundlich unterstützt durch Gleichgesinnte des Zupforchesters Essingen, des Musik- und Wanderclubs Rietania Rhodt e.V. und des 1. Weinheimer Mandolinenorchesters 1929. Gemeinsam stellten wir bereits zum zweiten Mal das Lehrgangsorchester für das 6. Dirigierseminar des Bundes Deutscher Zupfmusiker (BDZ) vom 2. bis 4. Februar 2024 auf der Starkenburg über Heppenheim. 

BDZ-Projektleiterin Tanja Schmitt, die auch das Weinheimer Zupforchester dirigiert, bedauerte beim morgendlichen Cappuccino in der sehr schön renovierten Jugendherberge Starkenburg, dass lediglich sechs der 20 verfügbaren Plätze vergeben werden konnten. Andererseits profitieren die Teilnehmenden um so intensiver von der Fachkompetenz des Dozenten Symeon Ioannidis, Leiter des Landeszupforchesters Berlin und Präsident des BDZ Berlin. Der Pianist und Kulturmanager Ioannidis ist außerdem Gastdirigent an der Staatsoper unter den Linden und Chefdirigent der Studentenphilharmonie Tübingen sowie des Freien Orchesters Berlin.

Das Lehrangebot war vielfältig, die Literatur anspruchsvoll. „Beim Dirigieren ist es besser, die Partitur im Kopf zu haben als den Kopf in der Partitur.“ – so lautete ein Leitsatz. Parallel zur Vermittlung einer differenzierten Klangvorstellung an das Orchester hatten die überwiegend erfahrenen Dirigentinnen und Dirigenten eine vielstimmige Körper-Partitur zu bewältigen: Blickkontakt mit dem Orchester halten, Körperspannung aufbauen, mit der rechten Hand Tempo und Dynamik in die Luft malen, mit der Linken klare Einsätze und dem Orchester zusätzliche Sicherheit geben, dabei immer freundlich lächeln und die eigene – verständliche – Nervosität im Griff behalten. 

Von Irischen Weisen zu Campesinas Klanglandschaften

Und sie haben sich und uns wacker durch die ausgewählten Sätze der eingängigen Irischen Suite von Manfred Flachskamp und Sébastien Pacis anspruchsvolle Suite Campesina gearbeitet. Aufmerksam und kooperativ verfolgte das Orchester, worauf die Dirigent:innen ihren Schwerpunkt während der nur 20 Minuten währenden Praxisphase legten. Mit leichter Hand und klarer Führung ermöglichte uns die erste Dirigentin ein entspanntes Aufwärmen. Ein anderer schaffte es mit wenigen Worten, eine visuelle Vorstellung zu vermitteln, so dass wir mit der Musik eine Geschichte erzählen konnten. Wieder ein anderer ließ uns eine anspruchsvolle rhythmische Stelle zunächst sprechen – if you can say it, you can play it! In englischer Sprache verständigten wir uns auch mit den beiden tschechischen Teilnehmenden, die das Orchester ebenso sympathisch wie klar leiteten: Dynamische Präzision, deutliche Artikulation, genaue Einsätze – das Orchester steigerte sich von Durchgang zu Durchgang.

Die Inspiration mitnehmen

Nach diesem Einblick in die Kunst des Dirigierens wussten wir Spielerinnen und Spieler der Mandolinata Mannheim um so mehr die wertvolle Arbeit unseres Dirigenten Nicolaos Connor zu schätzen. Und wir waren uns einig, dass er uns in der Probe gerne mehr abverlangen darf, damit wir auch in Zukunft das volle musikalische Potenzial eines Traditionsorchesters auf die Bühne bringen können.

Musikalische Momentaufnahmen: Eindrücke vom Dirigierseminar

Das Lehrgangs-Orchester, im Hintergrund fünf der sechs teilnehmenden Dirigenten